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Praxisbeispiel
Wie der Demenz-Verein im Köllertal Generationen zusammenbringt

Kinder und Jugendliche über Demenz aufklären

© Demenz-Verein im Köllertal

Interview und Text: Mirjam Ratmann | Juni 2025


Als ihr Mann eine Demenzdiagnose erhielt, wusste Anita Lender-Beck mit Demenz nicht viel anzufangen. „Für mich war Demenz ein Fremdwort.“ Um das zu ändern, nahm sie an Schulungen des Demenz-Vereins im Köllertal teil. Nun, fast fünfzehn Jahre später, unterstützt Lender-Beck selbst Menschen mit Demenz und deren Angehörige. Seit 2015 ist sie erste Vorsitzende des Vereins, der mittlerweile 250 Mitglieder hat.

Von einer Selbsthilfegruppe zur Institution

Gemeinsam mit zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie vier Ehrenamtlichen organisiert sie häusliche Betreuung und Tagespflege und bietet Beratungen, Unterstützung im Haushalt, Gruppenarbeit sowie Schulungen im Raum Püttlingen und im Köllertal an. Während Lender-Beck die ersten Jahre häufig schlaflose Nächte hatte, weil sie nicht wusste, wie sie den Verein stemmen soll, hat sie mittlerweile ein eingespieltes Team um sich versammelt, von dem sie sagt: „Wir teilen alles miteinander.“

Im Jahr 2000 zunächst als Selbsthilfegruppe von einem Neurologen in Püttlingen gegründet, hat sich der seit 2001 eingetragene Verein inzwischen zu einer Institution in der Region entwickelt, an die selbst Pflegedienste und Ärztinnen und Ärzte Betroffene verweisen. Rund 650 Menschen nehmen die Dienste des Vereins pro Jahr in Anspruch, über 1.000 Stunden Beratungen führt er jährlich durch.

Kinder und Jugendliche für Demenz sensibilisieren

Von 2022 bis 2024 wurde der Verein als Lokale Allianz für Menschen mit Demenz gefördert. Der besondere Fokus in dieser Zeit lag auf der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen ab dem Kindergartenalter. „Kinder gehen teilweise sehr viel einfacher mit ihren dementen Großeltern um als die Erwachsenen. Aber sie haben kein Sprachrohr und wissen nicht, was mit ihrem Opa oder ihrer Oma passiert“, sagt Lender-Beck.

Die Allianz organisierte Aktivitäten wie Bücher, Filme, Schulworkshops und Vorträge, um einen offenen und angstfreien Umgang mit Demenz zu fördern und die Beziehung zwischen den Generationen zu vertiefen. Dazu gehörten Naturaktivitäten wie eine gemeinsame Oster-Bastelaktion, Waldbaden sowie eine Schnitzeljagd. Sogar ein Kinderbuch entstand: In „Hoppy’s Abenteuer“ können Kinder mit dem Hasen Hoppy gemeinsam mehr über Demenz lernen.

Aus der Zusammenarbeit mit zahlreichen Netzwerkpartnern ging außerdem eine Kooperation mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung hervor. Die führte wiederum dazu, dass der Verein eine Frau mit Behinderung als Demenzbetreuerin ausbilden konnte. Dafür bekam der Verein 2024 den Saarländer Inklusionspreis.

Trotz Rückschlägen nicht entmutigen lassen

Dieser dotierte Preis, zusätzlich zu anderen Zuwendungen, Sponsoren und Spenden haben dazu geführt, dass der Verein nach Ende der Förderung mit seinem bestehenden Angebot weitermachen kann. Auch mit dem für Kinder und Jugendliche: Im Sommer 2025 ist ein Sommerferienprogramm geplant, bei dem Kinder und Jugendliche mit einer „Herzensoma“ oder einem „Alltagsopa“ gematcht werden, um dann über einige Wochen hinweg Alltagserledigungen zusammen zu machen. Durch gemeinsames Einkaufen, Lesen oder Spiele spielen sollen beide Seiten voneinander lernen.

Trotz des erfolgreichen Projektes war es für den Verein zu Beginn des Förderprogramms nicht einfach. „Wir wollten zunächst zu viel“, sagt Lender-Beck. Anfängliche Erwartungen hätten heruntergeschraubt werden müssen. Gelernt hätten sie und ihr Team daraus, sich bei einem neuen Projekt nicht zu hohe Ziele zu stecken und sich mit anderen Akteurinnen und Akteuren auszutauschen. Es sei wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen. Im Verein ist man trotz Rückschlägen stets zuversichtlich, denn man sieht das große Ganze: Dass man Menschen helfen kann.

„Wir haben die Tabuzone Demenz für unsere Region gebrochen“, sagt Lender-Beck. Zu ihnen kämen Gäste, keine Kunden, das ist ihr und ihrem Team sehr wichtig. „Denn bei uns ist kein Mensch krank.“

Träger
Demenz-Verein im Köllertal e.V.
Völklinger Straße 9
66346 Püttlingen

Kontakt Koordination
Marco Weber
Demenz-Verein im Köllertal e.V.
Telefon: 06898 6940690
E-Mail: info@demenzverein-koellertal.de

Kontakt Sensibilisierung Kinder und Jungendliche
Anita Lender-Beck, 1. Vorsitzende
Demenz-Verein im Köllertal e.V.
Telefon: 06898 69406
E-Mail: info@demenzverein-koellertal.de

Förderzeitraum Lokale Allianzen
2021-2024 

Gründungsjahr des Netzwerks
2000

Netzwerk

  • Bürgerbus Püttlingen 
  • cts St. Augustin Püttlingen 
  • Dachdeckerei Becker
  • Deutsche Alzheimer Gesellschaft 
  • Evangelische Kirchengemeinde Güchenbach 
  • frei & schön Kosmetik
  • Knappschaftsklinikum Saar Püttlingen 
  • KT Pflegeambulanz Püttlingen 
  • Landesfachstelle Demenz Saarland 
  • Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Saarland
  • Naturzeit Saar 
  • Regionalverband Saarbrücken, Seniorenplanung 
  • Stadt Püttlingen 
  • Theaterverein Püttlingen
  • Zauberkünstler Marco Lauer 
  • sowie engagierte Einzelpersonen aus Nachbarschaft, Kultur und Ehrenamt
© Demenz-Verein im Köllertal
Gemeinsam kochen – gemeinsam wirken: Jung und Alt bereiten gemeinsam eine warme Mahlzeit für den „Kältebus“ zu. Kinder, Jugendliche, Menschen mit Demenz und Senior*innen erleben dabei gelebte Teilhabe, Zusammenhalt und Solidarität.
© Demenz-Verein im Köllertal
Inklusiver Bastelnachmittag: Kinder, Jugendliche, Senior*innen und Menschen mit Demenz gestalten gemeinsam kreative Osterdekoration. Die Aktion bringt nicht nur Farbe auf den Tisch, sondern auch Verständnis und Freude über alle Altersgrenzen hinweg.
© Demenz-Verein im Köllertal
Gemeinschaft, Teilhabe und Lebensfreude: Mit Kreativität und guter Laune entstanden beim Basteln kleine Kunstwerke mit großer Wirkung. Echte Deko-Kunst aus Rinde, Moos und Holzscheiben – nicht perfekt, aber persönlich. Und genau das zählt.
© Demenz-Verein im Köllertal
Nikolaus weckt Erinnerungen: Jung und Alt sitzen zusammen und erzählen. Es gibt kleine Geschenke, große Freude und ein Gefühl von Gemeinschaft. Weihnachten zum Anfassen – inklusiv, herzlich und mit viel Gefühl.
© Demenz-Verein im Köllertal
Weihnachtsduft liegt in der Luft: Wir backen nach Omas Rezept, mit dem guten alten Nudelholz und Ausstechformen aus der Blechdose. Dabei teilen wir auch Geschichte – Das Rezept von früher, die Erinnerungen von damals, die helfenden Hände von heute.
© Demenz-Verein im Köllertal
Gemeinsam wachsen: Im Frühling wird gemeinsam ein Kräuterbeet angelegt – Erfahrungen werden geteilt und Natur mit allen Sinnen erlebt. Und ganz nebenbei wächst etwas – nicht nur im Beet, sondern auch zwischen den Generationen.
© Demenz-Verein im Köllertal
Inklusion in Aktion: Vier Menschen, ein Beet, kein Unterschied: Wer hier mit anpackt, ist Teil der Gemeinschaft. Da wird nicht nach Einschränkungen gefragt, sondern nach der Gießkanne. Inklusion heißt bei uns: Platz für alle – auch am Hochbeet.
© Demenz-Verein im Köllertal
Hoppy erklärt Demenz – für Klein und Groß: Hoppy nimmt die Kleinen an die Pfote und erklärt, was im Kopf von Oma gerade los sein könnte. Die Großen hören zu, lesen vor und verstehen ein Stück mehr. Ein Kinderbuch ohne Zeigefinger, das verbindet.
© Demenz-Verein im Köllertal
Unser Buch in der Zeitung! Wenn ein Herzensprojekt es bis in die Presse schafft, darf man auch mal stolz sein. Unser Buch ist ein Stück Gemeinschaft. Jetzt wird es (vor-)gelesen und weitergegeben – bei Kaffee, Kuchen und jeder Menge Gesprächsstoff.
© Demenz-Verein im Köllertal
Drei Jahre „Lokale Allianz für Menschen mit Demenz“: Die Urkunde des Bundesseniorenministeriums ist eine Anerkennung, ein Abschluss und auch ein Anfang. Denn wir sehen, was das Ganze bewirkt. Weil es wirkt. Weil es wächst. Weil es richtig ist.